Kaufvorvertrag einer zu errichtenden Liegenschaft
Mit einem Kaufvorvertrag verpflichten sich zwei Parteien, zu einem späteren Zeitpunkt einen bestimmten Kaufvertrag abzuschließen, dessen Inhalt bereits größtenteils festgelegt wird. Ein Vorvertrag wird oft abgeschlossen, wenn zwischen den Parteien ein allgemeiner Konsens bezüglich des abzuschließenden Kaufvertrages besteht, jedoch bestimmte Details noch zu klären oder bestimmte Voraussetzungen für den endgültigen Vertrag noch nicht gegeben sind.
Eine besondere Form des Kaufvorvertrages stellt der Kaufvorvertrag einer zu errichtenden oder sich im Bau befindlichen Liegenschaft dar. D.h. die Liegenschaft, die Gegenstand des Kaufversprechens ist, existiert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht in der vereinbarten Form, da der Bau oder Umbau derselben von der verkaufenden Partei noch begonnen oder abgeschlossen werden muss. Dieser Fall ist ausdrücklich vom gesetzesvertretenden Dekret Nr. 122/2005, welches durch das gesetzesvertretende Dekret Nr. 14/2019 weitgehend abgeändert wurde, geregelt. Das Dekret findet allerdings nur bei Vorhandensein folgender Voraussetzungen Anwendung: die verkaufende Partei ist ein Bauunternehmen (welches also die Liegenschaft, auch mittels unterbeauftragter Unternehmen, baut oder umbaut); die kaufende Partei ist eine natürliche Person (also keine Gesellschaft, Verein o.ä.); die kaufgegenständliche Liegenschaft befindet sich bei Abschluss des Vorvertrages noch nicht im vereinbarten Zustand (da sie noch errichtet oder fertiggestellt werden muss und noch keine Benutzungsgenehmigung ausgestellt werden kann); die entsprechende Baukonzession wurde bereits beantragt oder ausgestellt. Das Dekret findet auch hinsichtlich der Zuweisungen der Liegenschaften von Wohnbaugenossenschaften an ihre Mitglieder Anwendung.
Da einerseits die Liegenschaft von Seiten der verkaufenden Partei erst errichtet oder fertiggestellt werden muss und ihr Eigentum noch nicht auf den Käufer übertragen werden kann, andererseits die kaufende Partei meist bereits vor der Eigentumsübertragung Anzahlungen leistet, sieht das genannte Dekret verschiedene Bestimmungen zum Schutz der kaufenden Partei vor.
In erster Linie muss die verkaufende Partei der kaufenden Partei bei Abschluss des Vorvertrages eine von einer Bank oder Versicherung ausgestellte Bürgschaft übergeben. Diese gewährleistet die Rückerstattung aller von der kaufenden Partei geleisteten Zahlungen (Akonto, Angeld o.ä.) und Gegenleistungen in anderer Form (z.B. bei einem Tausch), falls die verkaufende Partei aufgrund einer Krisensituation (z.B. Insolvenz) nicht mehr im Stande sein sollte, die versprochene Liegenschaft fertigzustellen und an die kaufende Partei zu übertragen, oder falls der kaufenden Partei zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung der Liegenschaft nicht die vom genannten Dekret vorgesehene zehnjährige Versicherungspolizze übergeben werden sollte. Die Bürgschaft behält ihre Wirkung bis zum Zeitpunkt, an welchem die kaufende Partei eine Kopie der Urkunde der Eigentumsübertragung der fertiggestellten Liegenschaft ausgehändigt bekommt, welche die Daten der zehnjährigen Versicherungspolizze sowie die Bestätigung der Übereinstimmung derselben mit dem gesetzlich vorgesehenen Modell enthält. Wird die Bürgschaft nicht übergeben, hat dies die Nichtigkeit des Vorvertrages zur Folge.
Der Tipp
Der Kaufvorvertrag muss bestimmten Regeln folgen und ganz konkrete Angaben enthalten. Es muss sich um eine öffentliche, notarielle Urkunde oder einer Privaturkunde mit Unterschriftsbeglaubigung handeln und muss im Grundbuch angemerkt werden.
Weiters muss der Kaufvorvertrag bestimmte Angaben enthalten, und zwar: die Identifizierung der Parteien; die aktuelle grundbücherliche und katastermäßige Identifizierung der Liegenschaft; die Beschreibung der kaufgegenständlichen Liegenschaft samt Zubehör in ihrem endgültigen, versprochenen Zustand; die Angabe eventueller Verpflichtungserklärungen, baurechtlichen Konventionen oder Bindungen; die technische Beschreibung des Baus; die Frist, innerhalb welcher der Bau fertiggestellt sein muss; den Kaufpreis bzw. alle eventuellen nicht in Geldform zu erbringenden Gegenleistungen (z.B. bei einem Tausch), mit Angabe der Zahlungsfristen und -modalitäten sowie aller vereinbarten Angeld- oder Akontozahlungen; die Daten der obgenannten Bürgschaft mit der Erklärung, dass diese dem vom Gesetz vorgesehenen Modell entspricht; die Angabe eventueller Hypotheken oder anderer zu Lasten der Liegenschaft eingetragenen Belastungen sowie die diesbezüglichen Vereinbarungen (z.B. bezüglich Löschung oder Freistellung); die Daten der Baukonzession oder des Antrags auf Ausstellung derselben bzw. aller anderen vergleichbaren Verwaltungsakte; die Identifizierung eventueller unterauftragnehmender Unternehmen für die Durchführung der Arbeiten.
Zum Zweck der grundbücherlichen Anmerkung muss im Vorvertrag auch die Nutzfläche der kaufgegenständlichen Liegenschaft sowie die ihr zustehende Tausendstelquote bezüglich des gesamten Gebäudes angeführt werden.
Dem Kaufvorvertrag müssen außerdem die Baubeschreibung sowie die Projektpläne, auf denen die kaufgegenständliche Liegenschaft samt ausschließlichem und gemeinschaftlichem Zubehör ersichtlich sind, beigelegt werden.
Der Kaufvorvertrag muss in Form einer öffentlichen, notariellen Urkunde oder einer Privaturkunde mit Unterschriftsbeglaubigung abgeschlossen und im Grundbuch angemerkt werden. Die Gesetzmäßigkeitskontrolle durch den Notar garantiert der kaufenden Partei einerseits die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu ihrem Schutz; die grundbücherliche Anmerkung schützt sie andererseits vor darauffolgenden nachteiligen Eintragungen, sofern die Grundbucheintragung des endgültigen Kaufvertrages innerhalb eines Jahres ab der im Vorvertrag vereinbarten Frist und jedenfalls innerhalb von drei Jahren ab der grundbücherlichen Anmerkung des Vorvertrages erfolgt.
Nach erfolgter Fertigstellung der Liegenschaft wird diese durch Abschluss des endgültigen Kaufvertrages, der im Grundbuch einverleibt wird, auf die kaufende Partei übertragen. Bei Vertragsabschluss muss die verkaufende der kaufenden Partei eine zehnjährige Versicherungspolizze, zur Abdeckung eventueller Schäden oder Mängel am Bau oder am Grundstück, übergeben. Der Kaufvertrag muss die Daten der genannten Polizze sowie deren Übereinstimmung mit dem gesetzlich vorgesehenen Modell enthalten. Wird die Versicherung nicht übergeben, hat dies die Nichtigkeit des Kaufvertrags zur Folge und der Käufer kann die oben beschriebene, bei Abschluss des Vorvertrags erhaltene Bürgschaft zur Auszahlung bringen.
Das genannte Dekret sieht weitere Bestimmungen zum Schutz des Käufers einer zu errichtenden Liegenschaft vor: z.B. darf der Notar den endgültigen Kaufvertrag nur beurkunden, wenn vorher oder gleichzeitig eventuelle zu Lasten der kaufgegenständlichen Liegenschaft eingetragene Hypotheken oder Pfändungen gelöscht oder aufgeteilt werden; dem Käufer steht im Falle einer Zwangsversteigerung zu Lasten des Bauunternehmens ein Vorkaufsrecht bezüglich der Liegenschaft zu, wenn die Liegenschaft als Hauptwohnung verwendet wurde; der Kaufvertrag unterliegt nicht der Anfechtungsklage laut Konkursgesetz, wenn der Käufer sich verpflichtet, die gekaufte Liegenschaft als Hauptwohnung zu verwenden.
Schließlich kann der Käufer auf die vom Dekret vorgesehenen Schutzbestimmungen nicht verzichten; ein eventueller Verzicht wäre nichtig.
Der Abschluss eines Kaufvorvertrags einer zu errichtenden Liegenschaft erfordert also die Vornahme verschiedener rechtlicher und technischer Kontrollen zum Schutz des Käufers, auch in Zusammenhang mit dem nach Bauende abzuschließenden, endgültigen Kaufvertrag. Ergänzt wird dieser Schutz mit der Möglichkeit der Hinterlegung des Kaufpreises auf dem zweckgebundenen Kontokorrent des Notars, z.B. bis zum Zeitpunkt der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes zu Gunsten des Käufers oder bis zum Zeitpunkt der Löschung eventueller zu Lasten der Liegenschaft eingetragenen Belastungen.
Der Tipp
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Beitrag der Notarkammer Bozen
Rosministrasse 4
39100 Bozen
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