Architektur und nachhaltige Energieproduktion
Auf den Gebäudesektor entfallen über 40 Prozent des gesamten europäischen Primärenergieverbrauchs und 24 Prozent der Treibhausgasemissionen. Die Kombination aus dem Bau von energieeffizienteren Gebäuden und der Verwendung eines großen Anteils an erneuerbaren Energien ist daher ein wichtiges Anliegen, um die Verwendung von Energie aus fossilen Quellen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem Maßnahmenpaket, um den Fokus auf saubere Energietechnologien zu richten und den Bau von Gebäuden mit sauberer Energie zu beschleunigen. Die wesentliche Rolle der erneuerbaren Energien im Bauwesen ist auch ein Teil der nationalen Strategie, des sogenannten „Nationalen RES-Aktionsplans“. In diesem Zusammenhang spielen BIPV-Systeme (engl. für Building integrated PV, gebäudeintegrierte Photovoltaik) und BAPV (engl. Für Building attached PV, auf Gebäude angewandte Photovoltaik) eine wesentliche Rolle, um die Anforderungen zu erfüllen. Der Photovoltaiksektor hat sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt und wurde zu einem wichtigen Bestandteil des Energiemixes. Besonders in Italien wurde, auch dank des Anreizsystems „Conto Energia“, eine hohe Gesamtkapazität erreicht. Eine Gesamtkapazität von 18.622 GW war bereits Ende 2014 in Italien installiert und somit nach Beendigung von „Conto Energia“. Es ist sehr interessant festzustellen, dass mehr als die Hälfte der Gesamtkapazität auf Gebäuden installiert ist, im Einzelnen 2,672 GW als BIPV (gebäudeintegrierte Photovoltaik) und 7,185 GW als BAPV (auf Gebäude angewandte Photovoltaik). Auch wenn das italienische Förderprogramm „Conto Energia“ mittlerweile ausgelaufen ist, hat es doch einen unumkehrbaren Prozess in Gang gesetzt. Die aktuellen Förderprogramme in Italien beruhen im Wesentlichen auf zwei Maßnahmen: Steuergutschriften, mit denen dem Investor über einen Zeitraum von 10 Jahren 50 Prozent der Kapital- kosten rückerstattet werden, und das von GSE organisierte Programm „Scambio sul Posto“, das die von den PV-Anlagen erzeugte überschüssige Energiemenge zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stellt.
Die Photovoltaiktechnologie in Gebäuden dient nicht mehr nur der Stromerzeugung, sondern stellt auch einen Teil der Gebäudestruktur dar, indem sie traditionelle Elemente ersetzt und deren Funktionen übernimmt. In diesem Sinne betrifft die Installation von Photovoltaik-Elementen das gesamte Gebäude und nicht nur die Oberfläche. Photovoltaik-Elemente werden eine strukturelle Angelegenheit, die in Übereinstimmung mit der Lebensdauer des Gebäudes studiert, geformt und bearbeitet werden müssen, um Teil der Architektur zu werden, da die Leistungsfähigkeit der Gebäudehülle von innovativen Modulen und Komponenten übernommen wird.
Damit kommen auf die Bauwirtschaft aber auch auf private Bauherren neue Herausforderungen zu. Das Institut für Erneuerbare Energie von Eurac Research hat zu diesem Thema eine Publikation erarbeitet, die unter dem Titel „Photovoltaik und Architektur in Trentino Südtirol die Schönheit der Energieerzeugung“ erschienen ist. Ziel dieses Buches ist es, informative und ansprechende Solarenergiepro- jekte für allgemein praktizierende Architekten, Designer und Entwickler anhand von ausgewählten 18 Beispielprojekten zu präsentieren, die in der Region Trentino Südtirol umgesetzt worden sind.
Gebäude sind heute nicht mehr nur separate Einheiten, die ihre Energie aus dem Netz beziehen. Sie werden zu Mikrohubs der Energiegewinnung und -nutzung. Sie verbrauchen, erzeugen, speichern und liefern Strom und bring so den EU-Energiemarkt weg von zentralisierten, auf fossilen Brennstoffen beruhenden, nationalen Systemen hin zu einem dezentralisierten, erneuerbaren, vernetzten und flexiblen System. In diesem Zusammenhang wird die PV-Integration in den kommenden Jahren unwiderruflich weiter an Bedeutung gewinnen und die BIPV-Anlagen der kommenden Generationen werden sich auf Grundlage der Erfahrungen aus bereits realisierten Projekten in den drei entscheidenden Aspekten ihres Wesens – Technologie, Ästhetik und Energie – weiterentwickeln. Auch der Südtiroler Energiedienstleister Alperia will diese Entwicklung vorantreiben und mitgestalten: Im Jahr 2017 gründete die Unternehmensgruppe mit Alperia Smart Mobility und Alperia Bartucci zwei Gesellschaften, die daran arbeiten die Energieeffizienz zu steigern und im Rahmen der Elektromobilität die Nutzung des Solarstroms direkt zum Aufladen des eigenen Elektroautos zu ermöglichen.
Diesen Artikel finden Sie auch im gedruckten Baufuchs 2019